Profitiert Journalismus vom Roboterjournalismus ?

Kriegsreporter

Drei Tage mit Nachrichtenprofis aus aller Welt auf der newsXchange in Berlin: Nachrichtenagenturen aus Kroatien, Neuseeland, chinesische Nachrichtensender und britische Großagenturen, irakische news offices, die Leiter der arabischen Nachrichtenkanäle Al Jazeera und Al Arabiya und pakistanische Redaktionsgemeinschaften, nur Afrika war relativ spärlich vertreten. Das Fazit: selten seit dem zweiten Weltkrieg waren Nachrichtenmacher, Reporter und Korrespondenten mehr gefordert als heute, selten gab es mehr internationale Konfliktgebiete und Flüchtlingsströme und noch nie gab es eine einflußreiche Terrororganisation, die Journalisten genauso tötet wie angebliche Glaubensgegner. Vielen Nachrichtenagenturen, allen voran der weltweit größten Agentur Associated Press, gehen die Ressourcen aus: zulange sind Teams in belastenden und gefährlichen Regionen unterwegs, Informationen zu überprüfen dauert gerade durch das Internet länger als zuvor, denn das Film- und Fotomaterial, das den Nachrichtenprofis in großen Mengen angeboten wird oder einfach im Netz kursiert, will überprüft und verifiziert werden. Explodiert diese Streubombe wirklich in Aleppo und wirklich heute oder ist es ein altes Bild aus einer ganz anderen Stadt? Der vermeintliche Oppositionelle mit den spektakulären Bildern aus Damaskus kann in Wirklichkeit dem Assad-Regime dienen…

“Von irgendjemanden werde ich das schon erfahren” – dieser inzwischen legendäre Satz eines unbekannten amerikanischen Studenten auf die Frage,ob er gezielt Nachrichten verfolgt, wird auf der newsXchange hundertfach als das entlarvt, was er ist: der Beleg für den unglaublich naiven Umgang mit Informationen, bei denenen es auf Wahrhaftigkeit überhaupt nicht ankommt. Aber noch absurder erscheint hier die Tatsache, dass es selbst innerhalb der Medien auf einmal Mode zu sein scheint, den Begriff “Qualitätsjournalismus” als verstaubt abzutun. Ohne Journalisten, die für einen qualitativ hochwertigen Journalismus, der hohe Ansprüche an Überprüfbarkeit und Authenzität stellt, ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren, wäre der “User” einzig einer wahllos wabernden Flut obskurer und interessengerichteter Facebook- und Twitter-Postings ausgeliefert. Eine fürchterliche Vorstellung!

Das löst nur das Problem der immer geringer werdenden Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit von Endverbrauchermedien für eben diese hochwertigen Inhalte nicht. Hier kommt nun die Meinung von Jeff Jarvis, dem New Yorker Medien-Guru, wie man das Problem zumindest entschärfen kann: “Roboterjournalismus kann zahllreiche Grundbedürfnisse der Informationsgesellschaft befriedigen und versetzt die Medien in die Lage, sich mit den knapperen Ressourcen auf markenbildenden und investigativen Journalismus zu konzentrieren“.

Lieber Jeff, der Konferenzkaffee war schlecht wie immer, aber dieses Statement war wie ein perfekter italienischer Cappucino!

43% der Nachrichtenmanager sehen Roboterjournalismus als Chance

newsxchange

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Die mneisten NachrichtenmanagerInnen auf der NewsXchange in Berlin sehen es gelassen bis positiv: Roboterjournalismus wird entweder zu wirklich neuen Berichten und Berichterstattungsformen führen, zumindest aber Redaktionen von notwendiger, aber alltäglicher redaktioneller Arbeit entlasten. Nur 10% der rund 600 Nachrichtenmacher aus aller Welt sehen diese Entwicklung negativ.

Zu den eher positiven Stimmen gehört auch der Chefredakteur von GEO, Christoph Kucklick, der sich nicht auf der newsXchange, aber im Interview mit dem Fachdienst t3n geäussert hat:
“Und schließlich, als zu Unrecht belächelter Trend: Roboterjournalismus. Bereits jetzt lässt sich bei einfachen Sport- oder Wirtschaftsmeldungen nicht mehr verlässlich unterscheiden, ob Menschen oder Maschinen sie geschrieben haben. Die Nachrichtenagentur AP sendet pro Quartal rund 5.000 algorithmisch erstellte Meldungen, Tendenz stark steigend. Das wird sich ausweiten, noch lange nicht zur Kunstform einer Reportage – aber dort, wo sich strukturierte Daten mit standardisierten Erzählformen verknüpfen lassen, wie in der Wirtschaft oder im Sport, wird der Text-Roboter zum Kollegen”.