Was kann dieser Roboterjournalismus eigentlich?

liegender roboter schreibend positiv

OK, wir kennen inzwischen alle das Beispiel von dem Erdbeben in Los Angeles: die L.A.Times konnte mit Hilfe eines netten, kleinen Programms einen Artikel posten, noch bevor die letzten Vibrationen aufgehört hatten. Nett. Associated Press lässt inzwischen Tausende von Geschäftsberichten in winzige Artikel transformieren. Auch ganz schön. Handelsblatt und Berliner Morgenpost testen automatisierte Inhalte von textomatic, deren analytischer Ansatz zwar schon weit über die ersten beiden Beispiele aus den USA hinausgeht, aber auf der bis 10 reichenden “Was ist möglich?”-Skala auch erst bei Level 3 liegt. Also, ist Roboterjournalismus ein kurzer Hype, der sich bald wieder erledigt hat?

Roboterjournalismus ist zwar nach meinem Verständnis kein Journalismus dies würde den gerade durch syrische Flüchtlingslager in Jordanien korrespondierenden Kollegen, den Entdeckern der DFB-Paten und den Haut und Haar riskierenden Regionalreportern auf Neonazispuren bitter unrecht tun – aber die Inhalte werden kommen. Massiv und in großer Zahl und sie werden völlig neue Formen der Berichterstattung möglich machen. Zur Zeit dürfte textomatic möglicherweise der einzige Dienstleister sein, der in der Lage ist, aus einem Echtzeit-Datenstrom mit Millisekunden-Verzögerung gewichtete Analysen zu schreiben.

Das lässt sich aber noch beliebig erweitern: warum finde ich keine Berichte, in der die Entwicklung der börsennotierten Automobilwerte mitsamt Zuliefereren aus aller Welt zusammengfasst wird, egal, an welcher Börse das jeweilige Unternehmen notiert ist? Und dies dann noch gematcht mit den nationalen Zulassungszahlen der wichtigsten Autokäufer-Nationen? Dies ist auch von dem schnellsten Wirtschaftsredakteur niemals zu leisten und schon gar nicht mit einer inhaltlich sinnstiftenden Aktualisierung alle 60 Minuten.

Als Radfahrer interessiert mich das Wetter zwischen 8:00-9:00 und zwischen 16:00-17:00 am meisten – warum muß ich die für mich belanglosen Wetterprognosen für die Mittagszeit lesen und bekomme nicht meinen Wunschwetterbericht für genau meinen Berliner Bezirk und für genau meine relevanten Tagesabschnitte? Weil das natürlich manuell niemals leistbar wäre. Genauso wenig können Medien den Aufwand leisten, aus den schier unfassbaren Datenmengen der EU-Statistikbehörde EuroStat relevante Stories zu filtern und zu schreiben. Und in den Daten von EuroStat schlummern unzählige Geschichten!

Unternehmen werden das “Textcomposing” in wenigen Jahren genauso selbstverständlich einsetzen wie die Medien. Auch bei Konzernen stehen rein theoretisch immer mehr Daten zur Verfügung, nur steigt der Erkenntnisgewinn daraus schon lange nicht mehr proportional an. Vielleicht sind diesmal die Medien schneller als der Rest der Wirtschaft.

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