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Bald mehr Roboterjournalismus als menschliche Reporter?

Kriegsreporter

Nach einigen Jahren des reinen Experimentierens wird die meistens als „Roboterjournalismus“ bezeichnete Erstellung von Medieninhalten aus Daten ein Teil des Redaktionsalltages. Noch sind viele Projekte in der Planung oder im Aufbau, aber schon 2017 dürfte der Anteil an Inhalten, die von Maschinen erstellt werden, von heute fast Null auf bis zu 5% gestiegen sein.
Dies entspräche vielen Tausend Seiten Text pro Tag – zu unrealistisch?

Die altwehrwürdige, bei Prognosen eher zurückhaltende BBC prognostiziert einen Anteil von 90% für die automatisch generierten News in wenigen Jahren. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die heute erhältlichen Nachrichten zu 90% von Algorithmen geschaffen werden, sondern dass der Großteil einer unglaublich viel größeren Zahl an Nachrichten von Textgenerierungs-Tools publiziert wird.
Aber wer braucht schon noch mehr Nachrichten?

Es wird extrem personalisierte Nachrichten geben und es wird Nachrichten für kleine und kleinste Zielgruppen geben. Den Agrarwetterbericht für Weinbauern in der Oberpfalz zu liefern oder die aktuelle Entwicklung von Rohstoffpreisen in Afrika zusammenzufassen wäre, von menschlichen Redakteuren geschrieben, betriebswirtschaftlicher Selbstmord. Eine Software erledigt das fehlerfrei in 0,4 Sekunden, 365 Tage im Jahr. Einen Fußballspielbericht, der sich auf einen einzigen, zum Beispiel den jüngsten oder den teuersten Spieler mit all seinen Aktionen und Fehlpässen bezieht, ergibt sich aus demselben Datensatz, aus dem auch der allgemeine Spielbericht geschrieben wird. Mehraufwand – nahezu Null. Veröffentlichungszeitpunkt: 1 Sekunde nach Abpfiff. Menschlich unmöglich.
Aber ist das Journalismus?

„Roboterjournalismus“ ist ein plakativer Begriff der amerikanischen Textgenerierungsexperten, der nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist, auch wenn er natürlich falsch ist. Denn automatische Medieninhalte werden noch viele Jahre an einer bestimmten Grenze scheitern: wenn Jürgen Klopp wütend gegen die Bande tritt oder eine Aktie abstürzt, weil der Vorstandsvorsitzende gerade wegen Korruption verhaftet wurde, dann kann die Software davon heute nichts wissen. Die Software weiß nur das, was in Datensätzen steht. Sie kann vergleichen, Rückschlüsse ziehen und historische Parallelen suchen – aber eben immer nur innerhalb von Datensätzen.
Kommt aber irgendwann ein wirklicher Roboterjournalismus?

Die Antwort ist ein klares „Jein“. Klopps Tritt gegen die Bande und die Verhaftung es Vorstandes werden irgendwann von einer selbst nach Themen und Fakten suchenden Software in den aus Daten erzeugten Text eingearbeitet werden. Die Software wird in der Lage sein, Fakten aus Daten in Zusammenhang zustellen mit Inhalten, die eben nicht mit Daten zu beschreiben sind. Erst dann ist es auch richtig, dass „Roboterjournalismus“ ein Teil der künstlichen Intelligenz ist. Dann wird die Software ohne ein heute noch extrem aufwändiges Regelwerk selbst entscheiden können, was ein Thema ist und was nicht.
Wie sich spätestens dann der Journalismus verändert, wird eine spannende Diskussion werden.

Roboterjournalismus recherchiert Neonazi-Auswirkungen in Sachsen

Reporter der neuen Generation letzte Woche bei Merkel-Pressekonferenz

Eine besondere Herausforderung für eine ziemlich junge Branche: die Software von textomatic wird in den nächsten Jahren dokumentieren und „vertextlichen“, ob es einen Zusammenhang zwischen fremdenfeindlichen Ausschreitungen, der Zahl von Unternehmensansiedlungen und der Ausschreibung höher qualifizierter Jobs gibt. Die These: aufgrund der vielen Neonazi-Aktivitäten in Ost-Sachsen (beileibe nicht ganz Sachsen) werden sich immer weniger Unternehmen dort ansiedeln, die auch höher qualifizierte und unter Umständen erkennbar ausländisches Personal einstellen müssten, vor allem im IT- und Biotech-Bereich. Der Auftraggeber für dieses Projekt, an dem Journalisten, Experten für Künstliche Intelligenz und Informatiker arbeiten, ist eine britische Wirtschaftszeitung. Das “Roboterjournalismus“-Projekt soll zunächst über drei Jahre gehen.