Author Archives: Wolfgang Zehrt

Fehlende Netzabdeckung: Kinder auf dem Land werden ohne Zeitung aufwachsen

Junge Zeitungsleser

Die Rechnung des Chefredakteurs ist leicht zu verstehen: für seine Redaktion, den Zukauf von Meldungen und mehrere Dutzend freie Mitarbeiter braucht er jedes Jahr ein Budget von rund 6,5 Millionen Euro. Die Zeitung ist in seiner Region sehr erfolgreich, annähernd 33% der über 18jährigen lesen sie regelmäßig. Diese Reichweite ist für das Blatt nicht mehr lange zu  verkraften: denn für die Zustellung in den zum Teil abgelegenen Gemeinden wohnenden Beziehern und für den Druck muüssen jedes Jahr rund 25 Millionen Euro ausgeben werden – das Vierfache dessen, was die Inhalte kosten.

Natürlich könnten wir jedem Abonnenten ein IPad schenken und auf E-Abo umstellen“, so der Chefredakteur. Diese Rechnung geht aus zwei Gründen nicht auf, an dem ersten kann auch die Politik nichts ändern:

  • Die Abonnenten werden immer älter und wollen sich zum Teil nicht mehr mit einem ipad anfreunden
  •  Dort, wo die Zustellung am teuersten ist, in abgelegenen und dünn besiedelten Regionen, ist die Netzabdeckung entweder zu schwach oder es gibt kaum eine – jedenfalls keine, mit der man multimediale Inhalte streamen möchte

In wenigen Jahren wird es deswegen deutlich mehr Regionen geben, in denen und aus denen nichts mehr berichtet wird. Dort, wo keine Leserinnen und Leser mehr sind, wird es sinnlos, teuer bezahlte Reporter hinzuschicken. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen müsste der Verleger schon jetzt den Beziehern seiner Zeitung kündigen, bei denen mit jedem Exemplar ein deutliches Minus gemacht wird. Bis zu 15 Euro Verlust mit der Zustellung einer einzigen Zeitung sind keine Seltenheit – jeden Tag, wohlgemerkt.

Die Abwärtsspirale hat längst auch die letzte deutsche Nachrichtenagentur erreicht: die Deutsche Presse Agentur, nach dem unrühmlichen und schnellen Ende der Konkurrenz von dapd der einzige Garant dafür, dass auch aus entlegenen Ecken des Landes berichtet wird, leidet zu nehmend unter dem Niedergang der regionalen Presse.

Die gefürchteten Internet-Trolle, die fake-news-Erfinder und Märchenerzähler könnten in die entstehenden Lücken stoßen, wenn nicht etwas für die Medien außerhalb der Großstädte getan wird. Eine sehr gute und schnelle Netzabdeckung wäre ein erster Schritt. Dann können auch Kinder lernen, was der Unterschied zwischen Journalismus und Internet-Märchen ist.

(Wolfgang Zehrt, Berlin)

Es gibt keine Fake-News!

LügnerIch bin Nachrichten-abhängig. News-Junkie, Entzug ist fast unmöglich. Das Begann mit meinem ersten Artikel für die Schülerzeitung in der sechsten Klasse und konnte seitdem nicht mehr geheilt werden. Vielleicht kann ich deswegen die Verballhornung, das in den Schmutz kippen des Begriffes “News” so wenig ab. Zumal dieses Kunstwort ausgerechnet von Journalisten benutzt wird um – ja, um was eigentlich zu beschreiben? Das Journalisten dieses Wort benutzen ist vergleichbar mit einem seriösen Autokonstrukteur, der um sich schießende Panzer betrunkener  Söldner ebenfalls als Auto bezeichnet, vielleicht als “Mordautos” oder “Töterautos”. Aber es sind keine Autos. So gibt es Nachrichten, es gibt neudeutsch “News”, aber es gibt keine “fake-news“. Es gibt Lügen, bewusste Irreführungen, Fälschungen, Verleudmungen, Rufmord, Hirngespinste, Propaganda, es gibt  “fake” – aber es gibt keine fake-“news“.

Journalisten rufmorden ihren ohnehin schwerst beschädigten und wirtschaftlich in eine sehr ungewisse Zukunft schauenden Berufsstand, indem sie “fake-news” zu einer Unterkategorie von Nachrichten, eben von News machen. Gehört irgendwie dazu, diese f-news, suggeriert das Fantasiewort, gehört irgendwie zu dem Bereich “Nachrichten”. Nein. Gehört nicht dazu, nicht einmal als pestartige Wucherung am Muttertier. Aber der Mut fehlt inzwischen.

Die journalistische Arroganz ist in gründlich deutscher Schwarz-Weiß-Denke mit einer Vorwegnahme des hoffentlich nie eintretenden finalen Bedeutungsverlustes der Restpresse Zaghaftigkeit und einem Nicht-Auffallen-Wollen gewichen. Scharf formulierte Positionen könnten UserInnen kosten und letzendlich einen unbeliebten Platz auf der nächsten Liste sichern, mit der die Redaktion noch einmal “gestrafft” und auf die “Kernkompetenzen” fokussiert werden soll. Nicht auffallen, ungenau bleiben, lieber n icht anecken, unangenehme Wahrheiten (für Teile des Publikums) lieber nicht aussprechen, nicht auffschreiben? Auf Facebook werden immer mehr regionale “Communities” still und leise von Menschen übernommen, die viel Zeit haben, Inhalte aus und von Lügenplattformen weiterzuverbreiten. Auch an die letzten Bezieher der Printausgaben lokaler Zeitungen, die darüber eigentlich dringend aufgeklärt werden müssten.

Es ist journalistische Pflicht, die “fake-news” nur als das zu benennen, was sie wirklich sind: Lügen, Propaganda, bewusste Verfälschungen. Aber “news”? Was für eine Aufwertung von Posts und Tweets und Blogs, die vor allem die Aufgabe haben, die wirkliche Nachrichtenwelt unglaubwürdig und verächtlich zu machen! Wenn, immerhin, die Verfasser von solchen Lügen nicht fake-Journalisten genannt werden, dann ist dieser andere Begriff auch überflüssig.

(Wolfgang Zehrt, www.dna-institute.com )