Die Rechnung des Chefredakteurs ist leicht zu verstehen: für seine Redaktion, den Zukauf von Meldungen und mehrere Dutzend freie Mitarbeiter braucht er jedes Jahr ein Budget von rund 6,5 Millionen Euro. Die Zeitung ist in seiner Region sehr erfolgreich, annähernd 33% der über 18jährigen lesen sie regelmäßig. Diese Reichweite ist für das Blatt nicht mehr lange zu verkraften: denn für die Zustellung in den zum Teil abgelegenen Gemeinden wohnenden Beziehern und für den Druck muüssen jedes Jahr rund 25 Millionen Euro ausgeben werden – das Vierfache dessen, was die Inhalte kosten.
“Natürlich könnten wir jedem Abonnenten ein IPad schenken und auf E-Abo umstellen“, so der Chefredakteur. Diese Rechnung geht aus zwei Gründen nicht auf, an dem ersten kann auch die Politik nichts ändern:
- Die Abonnenten werden immer älter und wollen sich zum Teil nicht mehr mit einem ipad anfreunden
- Dort, wo die Zustellung am teuersten ist, in abgelegenen und dünn besiedelten Regionen, ist die Netzabdeckung entweder zu schwach oder es gibt kaum eine – jedenfalls keine, mit der man multimediale Inhalte streamen möchte
In wenigen Jahren wird es deswegen deutlich mehr Regionen geben, in denen und aus denen nichts mehr berichtet wird. Dort, wo keine Leserinnen und Leser mehr sind, wird es sinnlos, teuer bezahlte Reporter hinzuschicken. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen müsste der Verleger schon jetzt den Beziehern seiner Zeitung kündigen, bei denen mit jedem Exemplar ein deutliches Minus gemacht wird. Bis zu 15 Euro Verlust mit der Zustellung einer einzigen Zeitung sind keine Seltenheit – jeden Tag, wohlgemerkt.
Die Abwärtsspirale hat längst auch die letzte deutsche Nachrichtenagentur erreicht: die Deutsche Presse Agentur, nach dem unrühmlichen und schnellen Ende der Konkurrenz von dapd der einzige Garant dafür, dass auch aus entlegenen Ecken des Landes berichtet wird, leidet zu nehmend unter dem Niedergang der regionalen Presse.
Die gefürchteten Internet-Trolle, die fake-news-Erfinder und Märchenerzähler könnten in die entstehenden Lücken stoßen, wenn nicht etwas für die Medien außerhalb der Großstädte getan wird. Eine sehr gute und schnelle Netzabdeckung wäre ein erster Schritt. Dann können auch Kinder lernen, was der Unterschied zwischen Journalismus und Internet-Märchen ist.
(Wolfgang Zehrt, Berlin)