Fußball wird am Stadtrand gespielt – auch ohne Reporter

(Quelle:  http://www.regional-nachrichten.net )

Auf so einem Platz standen Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels schon lange nicht mehr, von Jogi Löw ganz zu schweigen. Ich stehe da gerne: Sonntag Morgen um 8:00, angekommen nach einer Stunde Fahrt oder länger, es regnet leicht.  Manchmal gibt es irgendwo in der Nähe einen Imbiss, der schon auf hat, aber meistens nicht. Die Spielerinnen oder Spieler kommen verschlafen zum Platz getrabt, sind spätestens bei der Hälfte des Aufwärmens hellwach. Meine 13jährige Tochter auch. Der Schiedsrichter saß am Freitag noch am Bankschalter oder deckte irgendwo ein Dach und die Trainerin und Trainer sind in der Woche als Lehrerin, Elektromonteur, Hausmeister oder Arzt unterwegs. „Flutlicht bleibt an“, meldet der Trainer der gegnerischen Mannschaft beruhigt, „auch wenn die Männer fertig sind“. Kennt man auch anders, Glück gehabt.

1.FFV

Bei 22 Spielern oder Spielerinnen kommt man selbst am äußersten Rand größerer Städte auf ein halbes Dutzend Nationalitäten in jeder Mannschaft und die stehen einträchtig zusammen mit zwei Handvoll Zuschauern im Regen am Spielfeldrand. Überdachte Zuschauertribünen? Doch, die gibts irgendwo, hier drängt man sich unter Regenschirme, an die einige zum Glück gedacht haben. Dann, für die Auswärtsgäste völlig unerwartet, eine kleine Sensation: die Stahltür zum Abstellraum des winzigen Vereinsheims wird aufgeschlossen und eine Frau um die 60 Jahre schiebt einen Grill nach draußen, auf einen kleinen Tisch daneben kommt die Kaffeemaschine, das alte Verlängerungskabel reicht gerade. „Bei uns gibts immer nen heißen Kaffee und ne Wurst, egal wer spielt“. Reporter? – “Doch, früher waren schon welche da, meistens so Freiberufler, aber die haben haben schon was geschrieben. Ist aber schon länger her“. Es werden auch keine mehr kommen, egal wer auf dem Platz spielt.

Die Männermannschaften einigen sich darauf 4 Minuten früher aufzuhören, „steht eh 0:4 für die Pfeifen da und den Mädchen wird ja langsam langweilig“. Sowas geht nur hier, die beiden durchnässten Aschenplatz-Champions zieht es einvernehmlich in den warmen Umkleideraum, Duschen und Bier. Etwas mehr Bier als duschen. Keine dummen Sprüche zu den Mädchen, die gespannt aufs durchweichte Spielfeld traben, im Gegenteil anerkennend: „Wer bei dem Scheißwetter spielt, spielt wenigstens noch richtig Fußball“.

Dann kämpft der 1.FFV Spandau-Siemensstadt auf Wegrutsch-Rasen gehen den SV Schmöckwitz-Eichwalde. Mädchen von 13-15 Jahren, die Mädels und die Zuschauer kennen sich langsam, die Gespräche vom vorvorletzten Wochenende werden fortgesetzt. Von „Hast das mit Deinem Auto hinbekommen?“ bis „Läuft das jetzt mit eurer Kleinen in der Schule?“. Zwischendurch nen frischen Kaffee für 1,50Eur und die Wurst für 2Eur.  „Der Schiedsrichter pfeift korrekt, kann man nichts sagen, wenn ich an den beim letzten Spiel denke…!” – in der Halbzeit werfen sich die Spielerinnen schnell Jacken über, mehr Komfort ist nicht.  Und dann kommt sogar die Sonne raus.

Trainer und Trainerin geben die Tipps mit einer stimmgewaltigen Energie, man merkt, es geht hier um was. Nämlich darum, dass alle stolz auf ein Superspiel nach Hause fahren können. Was dann auch bei zunehmend beißendem Ostwind klappt und für das sich alle Zuschauer ordentlich die Hände warmklatschen. Verloren, aber super gespielt. Ronaldo, Messi, Neymar, Millionengehälter und vergoldete Steaks – lass mal. Fußball wird hier gespielt. Auch ohne Reporter am Spielfeldrand.

1.FFV Abpfiff

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