Regionale Zeitungen? Liest die noch jemand? Hallo?

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In den vergangenen 10 Jahren haben die regionalen Zeitungen rund 8 Millionen Exemplare an Auflage verloren, in den vergangenen 25 Jahren wurde die Auflage halbiert. Inzwischen gibt es in vielen Städten, auch Großstädten nur noch eine Regionalzeitung. Diese erhält immer öfter ihre Nachrichten auch einer mehr oder weniger weit entfernten Zentralredaktion, was nicht unbedingt dazu beiträgt, das einzig wesentliche Element einer lokalen Zeitung zu stützen: die örtliche Kompetenz.

In Volontärs-Seminaren lohnt sich immer die Frage, wer denn beim Heimatbesuch bei Verwandten oder Eltern dort mal kurz in die Lokalzeitung schaut, die vielleicht ja noch auf dem Küchentisch liegt.  In der Regel niemand.

Interessiert das Lokale noch? Sollte man unzähligen Untersuchungen glauben müsste die “Zeitung vor Ort” sogar eine Renaissance erleben: mehr Nähe, Überschaubarkeit der Ereignisse, Bedenken gegenüber der extrem vernetzten globalen Welt – vieles spricht dafür, dass der Lokaljournalismus ein halbwegs gesichertes Marktpotential hat. Stimmt aber nicht. Jedenfalls nicht mit den Verlagshäusern, die gerne Innovationen woanders anmahnen, selbst aber ein Vierteljahrhundert lang in komplette Agonie verfallen waren.

Ob trotzdem zu hörende optimistische Aussagen zur Zukunft der regionalen Zeitungen und Medien mehr als ein Selbstbeschwörungstanz lokaler Verleger und großer Interessensverbände sind? Prof. Dr. Michel Clement und Prof. Dr. Christian-Mathias Wellbrock von der Uni Hamburg würden dies bejahen, sie konstituieren in einer Untersuchung aus dem vergangenem Jahr das regionale Medien “meist (aufgrund der geringen Marktgröße) regionale Monopolisten sind und exklusive Inhalte (z.B. über regionale Politik, Regionalsport etc.). haben“. Leser würden eine hohe Identifikation mit ihrer Region aufweisen, was eine gute Voraussetzung für eine hohe Leser-Blatt-Bindung darstelle.

Dem schliesst sich der “Bundesverband deutscher Zeitungsverleger” in der repräsentativen Studie „Zeitungsfacetten 2017. Regionale Tageszeitungen im Leser-Check“ gerne an: Jeweils 42 Prozent der Leser würden demnach sogar Werbung in regionalen Zeitungen eher gut finden und diese als selbstverständlichen Part ihrer Zeitung akzeptieren.

Nur, warum stimmen dann die Verkaufszahlen einschließlich aller Online-Ausgaben nicht mehr?

Für das vergangene Jahr kommt das Medienfachportal meedia.de zu diesem Resümee: “Es geht weiter abwärts für die Verkaufszahlen der deutschen Regionalzeitungen. Fast alle liegen unter den Vergleichswerten des Vorjahres…die Berliner Zeitung büßt 6,1% ein, der Berliner Kurier 9,7%, die Berliner Morgenpost 10,8% und die B.Z. sogar heftige 12,5%. Das ist für sie der größte bisher verzeichnete prozentuale Rückgang überhaupt… Regionale Akzeptanz? Identifikation?

Region, Heimat, Identifikation – hier sind sich die ansonsten nicht so homogenen Soziologen einig, sind Begriffe, die vor allem der Generation 60+ im positiven Sinne geläufig sind. In der immer schneller fortschreitenden Globalisierung innerhalb der westlich orientierten Staatenwelt, die China in diesem Punkt mit einbeziehen muß, ist der Anfang 20jährigen Frau aus dem Odenwald, je nach Bildungsgrad, London und Barcelona deutlich näher als Erbach oder Heppenheim. Stadtratssitzungen in Heppenheim? Spannend? Nunja… Da hilft kein Heimatministerium.

Das regionale Werbung für alle Produkte, die ebay und amazon nicht liefern kann, relevant ist, ist schon glaubwürdiger. Nur stellt sich die Frage, ob für regionale Sonderangebote der Begleitinhalt der Stadtratssitzung in Heppenheim so wichtig ist. Regionale Werbung lässt sich trefflich auf Apps und Chats abbilden, denn sie wird meist gezielt gesucht. Widerrum auch nicht unbedingt von den jüngeren Zielgruppen. Große US-Tech-Unternehmen experimentieren deswegen mit minimalistischen, regionalen Inhalten, die ausreichend sind, um dem Anzeigenumfeld eine medial-inhaltliche Umgebung zu bieten. Die “Heppenheim Zeitung powered by your US shopping portal” – eine interessante Idee.

 

 

 

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